Die Gemeinde Gyhum im niedersächsischen Landkreis
Rotenburg/Wümme und Teil der Samtgemeinde Zeven ist unter anderem bekannt
durch eine dort ansässige Rehabilitationsklinik.
Gyhum
zählt ca. 2.400 Einwohner und besteht aus den Ortsteilen Bockel, Hesedorf,
Gyhum, Nartum und Wehldorf.
Weit über die Grenzen bekannt wurde der Gyhumer Ortsteil Nartum durch den berühmten Schriftsteller Walter Kempowski, der von 1965 bis zu seinem Tode am 05. Oktober 2007 in Nartum lebte.
Eine herausragende Bedeutung hat auch die im Zentrum von Gyhum befindliche evangelisch lutherische Kirche St. Margarethen. Benannt nach ihrer Schutzpatronin der Heiligen Margaretha von Antiochien, Schutzheilige der Bauern und Gebärenden.
Eingebettet auf parkähnlichem Grund, scheinbar geschützt hinter hohen Bäumen, stellt diese kleine Kirche einen Ruhepol dar im Verkehrsgewühl der sie umgebenden Straßen.
Die Grabsteine auf der Südseite der Kirche zeugen von einer 200 Jahre alten Geschichte.
Bei der Gyhumer Kirche handelt es sich um eine sogenannte Feldsteinkirche, deren Alter auf mindestens 800 Jahre geschätzt wird, aber auch schon 1000 Jahre alt sein kann. Überwiegend aus grob gespaltenen Granitsteinfindlingen erbaut, gehört sie zu einer der ältesten Kirchen im Elbe-Weser-Dreieck.
Urkundlich erwähnt wurde sie allerdings erst 1384 im Stader Kopiar in einem Verzeichnis der Bremer Kirchen.
Der schlichte einschiffige und rechteckige Hallenbau ist 21m x 9.5m in seinen Grundmaßen und hat ein nach allen Seiten abgewalmtes Dach.
Neben den fünf Fensterachsen fällt vor allem der freistehende, nur ca. 1m entfernte große Fachwerkglockenturm auf.
An der Südseite befinden sich 2 Türen mit Rundbögen. Man geht davon aus, dass die linke, ältere Türe - aus abgestepptem Granitstein gebildet - als Haupteingangstüre aus der Ersterbauerzeit diente.
Die rechte Türe trägt einen Handklopfer, mit dem die Kirchenbesucher früher um Einlaß baten.
Die dort befindliche Inschrift JVG - PZZ bedeutet: Joducus von Gaben - Probst zu Zeven, der von 1585 bis 1601 dort lebte.
Eine Besonderheit sehen wir an der Nordwand der kleinen Kirche. Zwischen dem ersten und zweiten Bogenfenster wurde eine Türe mit Klosterformatziegeln in Treppenmuster zugesetzt.
Diese Türe wurde vermutlich im Mittelalter als Brauttüre oder Brautpforte benutzt. Hier wurden im Mittelalter die Brautleute vom Priester empfangen, um ihren Willen zur Heirat und ewigen Treue zu bezeugen. Danach erfolgte erst die Segnung in der Kirche.
Die jeweils 5 Fenster der Längswände deuten auf verschiedene Baustile hin, aber auch auf die im Laufe der Jahrhunderte durchgeführten Reparaturen.
Das Innere der Kirche wurde in den Jahren 1963/64 umfangreich renoviert. So wurden bis auf die Westempore alle Emporen entfernt.
Hier befindet sich unterhalb der Orgelempore das Motto der Kirche - Einer ist euer Meister, Christus -.
Der Altar schmückt heute die Ostwand, während die Kanzel auf der rechten Seite zu finden ist.
Auch die schlichten Bänke wurden in dieser Zeit erneuert.
Der Taufstein, aus einfachem achteckigem Sandstein gefertigt, ziert eine Messingtaufschale mitsamt Deckel und befindet sich auf der linken Seite.
Flankiert wird der Taufstein von zwei Stühlen aus Holz, deren Sitzauflagen die Buchstaben - Alpha und Omega - eingestickt haben und für Brautpaare bestimmt sind.
An der Nordwand befindet sich im Chorraum zwischen zwei Fenstern ein Kreuzigungsbild, das von Hildur von Marschalck im 19. Jahrhundert gemalt wurde.
Zwei restaurierte Leuchter von 1750 stehen für Festtage zur Verfügung. Auch eine silberne Hostiendose aus dem Jahre 1738, sowie ein Kelch von 1796 gehören zu den wenigen Kostbarkeiten, die die Kirche vorweisen kann.
Aus der Renovierungszeit 1964/65 stammen die kleinen Leuchter auf dem Altar, ebenso das Kreuz, sowie das schon erwähnte Taufbecken.
Das hinter dem Altarkreuz befindliche Wandrelief mit den vier Evangelisten wurde im Jahre 1982 von Eleonore Freifrau von Hammerstein gestiftet.
Wie dieses ausdrucksvolle Relief wurde auch der Erzengel Michael von der Firma Moroder aus St. Ullrich im Grödnertal/Dolomiten hergestellt.
Die Schutzpatronin St. Margaretha ist auf dem einzigen Buntglasfenster dargestellt, das aus dem 20. Jahrhundert stammt. Es zeigt sie mit gefesseltem Drachen und einem Kreuz in ihrer rechten Hand. Die Krone und der Palmzweig in ihrer linken Hand zeugt von ihrem jungfräulichen Martyrium.
Eine Gedenktafel für die Opfer des 2. Weltkrieges hängt über der neueren Türe an der Südwand.
Als im Jahre 1998 das gesamte Kirchengebäude überarbeitet wurde, legte man die Decke um 70cm höher, was der Akustik und dem Raumklima zugute kam.
Damit wurde auch der Klang der neuen Orgel, die man ebenfalls 1998 von dem Orgelbauer Hillebrand aus Isernhagen anfertigen ließ, auf das heutige Niveau angehoben.
Die erste Orgel wurde 1894 eingebaut und 1950 durch eine zweite ersetzt. Die heutige Orgel verfügt über zwei Manuale und 13 Register. Sie wurde im Gegensatz zu den früheren Orgeln nicht mittig, sondern seitlich verbaut.
Somit findet der Chor ausreichend Platz auf der Empore und der Organist hat guten Sichtkontakt zum Pastor.
Bei den letzten Renovierungsarbeiten entdeckte man auf der Empore 12 Schichten von Wandmalereien, wovon nur eine Schicht zu Demontrationszwecken freigelegt wurde. Dabei handelt es sich um einen rötlichen, gotischen Blattrankenfries aus dem auslaufenden 13. Jahrhundert, auch als Seccomalerei bekannt.
Der Fachwerkturm geht auf das Jahr 1690 zurück und dürfte vermutlich einen Rundturm ersetzt haben. Auffallend ist das übergekragte Obergeschoss und die rechteckigen Schalllöcher. Bei der Sanierung 1983 wurde das Fachwerk und die Ziegel ersetzt, während im Inneren ein Stahlgerüst, das auf einem Betonsockel ruht, die Lasten der Glocken trägt.
Zunächst existierte eine frühgotische Glocke und eine Neuere, wobei die Ältere im 2. Weltkrieg konfisziert und vermutlich für Munition eingeschmolzen wurde. Erst im März 1959 fand in Gyhum die Glockenweihe für drei neue Glocken aus Bronze statt. Die Größte mit 680 kg Gewicht ist die Friedensglocke und trägt die Inschrift: "Er ist unser Friede".
Die Zweitgrößte hat ein Gewicht von 410 kg, mit der Inschrift: "Selbst empfindlos reg´ ich in fühlenden Seelen heilige Liebe und Schmerz, Schrecken und Wonnegefühl". Hierbei handelt es sich um die Betglocke und wurde 1831 von Ehlermann aus Rotenburg aus einer gesprungenen Glocke gegossen. Die mittlere Trauglocke wiegt 290 kg und trägt die Inschrift: "Suchet den Herrn, so werdet Ihr leben".
Diese Dokumentation widme ich meiner Enkelin Laura Marie Willim, die am 27. Dezember 2009 in der St. Margarethen Kirche zu Gyhum getauft wurde. Möge ihr diese kleine Kirche in ihrem weiteren Leben stets Zufluchtsort sein, sowohl real, als auch virtuell, in guten, wie in schlechten Zeiten.
Mein besonderer Dank richtet sich an die Gyhumer Gästeführerin Frau Irmela von Lenthe, die mir mit ihren Ausführungen zu dieser verträumten Kirche eine große Hilfe war. Sie trägt dazu bei, dass dieses norddeutsche Kleinod auch weit über die Grenzen von Gyhum hinaus bekannt wird.